Freitag, 22. Juli 2016

2016 Eiger Ultra Trail - 101km

Nach dem Innsbruck Fiasko mit den Herzproblemen und dem gerade noch gutgegangen Bieler mit Magenproblemen stand in diesem Jahr die dritte Prüfung an

 
101 Kilometer mit 6‘700 Höhenmetern.



Aselia, meine Tochter und Fabian, ihr Freund, hatten ebenfalls im letzten Jahr einen der gesuchten Startplätze erhalten.

Ich fuhr bereits am Donnerstag in die Berge. Das Wetter war grausig und es war kalt geworden. Das führte dazu, dass es oben Schnee gab und davon jede Menge. War noch ein paar Tage vorher alles schneefrei, änderte sich das in den zwei Tagen vor dem Event. Das sollte einiges zum Drama nach dem Faulhorn beitragen.

Nach dem Briefing fragten wir beim Streckenleiter nach, wie es mit dem Schnee aussieht und ob wir Spikes mitnehmen sollen. Er beruhigte uns und fand Spikes überflüssig. Wir wollten noch wissen, ob die Zeiten zu unseren Gunsten angepasst werden, falls wir im Schnee zuviel Zeit verlieren würden. Das würden sie situativ entscheiden.

Hätten wir wegen den Spikes nur nicht auf ihn gehört!

Ok, wir konnten los und das auf der Originalstrecke. Wir starteten hinten, trafen Clive wieder (den Engländer, den sie letztes Jahr in Burglauenen zurück halten wollten, weil er so komisch lief, dabei lief er immer so) und wir waren auch bald die letzten, zusammen mit einem Läufer aus Deutschland, der seinen Hund mit auf die Strecke nahm. Wir waren uns nicht sicher, ob das wirklich noch tierfreundlich ist.
 
 
Ruhig und gemütlich ging es hinauf zur grossen Scheidegg. Ich ass den einzigen Riegel am Lauf und musste immer wieder stehen bleiben, es war so unglaublich schön.
 
Auf der grossen Scheidegg kamen wir später an als letztes Jahr. Clive klagte über Trainingsrückstand nach Verletzungen, lief mir aber locker voraus.

 
 

Die Sonne empfing uns auf der Scheidegg und es war einfach nur herrlich. Runter nach Bort, wieder rauf zum First.
 
 
Trotz unserer partiellen Höhenangst liefen wir über den Cliff Walk, einfach nicht hinunterschauen.


Es war ein Bilderbuchtag. Blauer Himmel, überzuckerte Berge, warme Temperaturen.  Jetzt liefen wir mit den 51er weiter bis nach Burglauenen. Schon bald nach dem Bachalpsee liefen wir auf Kolonnen auf. Überholen war nicht möglich in den engen Trails. Ein wenig ungeduldig wurde ich schon und überholte an der erstbesten Stelle, wo ich eine Wiese hinunterrutschte. Zum Glück fiel ich nicht hin. Das hätte sicher einiges an Schadenfreude ausgelöst.
Mit einem Paar aus Schweden genoss ich die Freiheit, schnell loszulaufen. Ihr wäre diese fast zum Verhängnis geworden bei einem Stolpern. Für das trainieren wir auch unsere Balance. Sie fing sich akrobatisch auf.
 


Im Kuhstall gab es Verpflegung, ein origineller Ort.  Fabian schlug auch hier wieder zu, mir kam es vor, als laufe er von einem Buffet zum nächsten. Ich hielt mich zurück. Ich hatte Datteln und Kartoffeln dabei, den Clif Bar vom ersten Aufstieg und sonst nur noch gesalzene Nüsse.

Zum Trinken nur Wasser.

Weiter ging es hinauf zum Faulhorn. Auf dem höchsten Punkt des Laufs empfing uns eine längere Schlange vor dem Verpflegungsposten. Wir mussten sicher 10 Minuten warten. Da es warm und sonnig war, machte uns das aber nicht viel aus.
 

Das Drama begann erst nach dem Faulhorn. Es lag vielerorts sehr viel Schnee. Vor allem für meine Tochter wären Spikes Gold wert gewesen. Sie fühlte sich unsicher, sobald es rutschig wurde auf Schnee.

Jetzt sorgten wir für Stau. Irgendwann setzte bei ihr sogar eine Blockade ein und sie blieb an einer engen, ausgesetzten und schneebedeckten  Stelle stehen. Ein Läufer kam von hinten und griff beherzt zu. Er packte sie am Arm, ich hielt sie am Rucksack und beide zogen wir sie weiter.

Immer wieder gab es kritische Stellen und wir verloren viel Zeit. Vor dem Verpflegungsposten Egg und nachdem kein Schnee mehr lag, verabschiedete ich mich von den beiden, ich musste los, damit ich die Schlusszeit auf der Schynigen Platte noch erreichen konnte.

Das klappte, aber nur nach einem kräfteraubendem Einsatz auf den verbleibenden 8 Kilometern bis zur Schynigen Platte.

Fünf Minuten vor dem Cut Off kam ich an und die junge Frau beim Posten liess mich durch.

Andere hatten weniger Glück. Die Schynige Platte war ein Posten, wo sie keine Gnade walten liessen.
 
 
Auf Facebook bedankt sich eine Läuferin, dass sie weiter konnte, obwohl sie zu spät war. Unterwegs erzählte mir ein Läufer, der gestürzt war und voller getrocknetem Schlamm war, dass auch bei ihm ein Auge zugedrückt wurde.

 

Meine Tochter und ihr Freund wurden aus dem Rennen genommen, ja ein Läufer, der zwei Minuten zu spät kam, musste den Chip abgeben.

Und das obwohl wir viel Zeit vor dem Faulhorn in Einerkolonnen verloren hatten, auf dem Faulhorn in der Warteschlange vor dem Posten und danach auf den schneebedeckten Wegen.

Schade, dass sie bei diesem Posten nicht kulanter waren. Aber so ist das Leben, des einen Pech…

Und Reglement ist Reglement. Andrerseits hätten sie die Läufer noch nach Burglauenen schicken können, mit der Bedingung, dass sie dort den Posten noch vor der Schlusszeit erreichen müssen.

Die Wanderer unterwegs hatten durchwegs Verständnis für uns Läufer, ausser einem älteren Paar aus der Schweiz, das partout den Weg nicht freimachen wollte und sich genervt zeigte ab den vielen Läufern. Ansonsten erhielten wir viel Ermunterung und Beifall.


In Burglauenen hatte ich letztes Jahr den Fehler gemacht und keine Pasta gegessen. Das sollte mir in diesem Jahr nicht passieren. Doch es gab nur Pasta bereits angerichtet mit Tomatensauce.  Leider musste ich auch in diesem Jahr auf Pasta verzichten, weil ich Tomaten nicht vertrage. Die kalten Teigwaren, die sie mir anboten, waren ungeniessbar.



Ob ich Bouillon mit Fleisch wolle oder Gemüsebouillon, wurde ich gefragt. Ja, gibt es denn beides, fragte ich zurück. Ja, und das an allen Posten. Jetzt wusste ich, warum mir als Vegetarier an einem Posten die Bouillon so schrecklich geschmeckt hatte, ich aber dennoch pflichtbewusst den ganzen Becher ausgetrunken hatte.

Seit über 20 Jahren Vegi und dann sowas!!

Jetzt werden alle Nicht-Vegi einwerfen: Jetzt weisst du, warum du gefinished hast!

Von Burglauenen nach Wengen, das übrigens nie kommen will, begleitete mich Christian, mein treuer Begleiter vom Bieler. Kurz vor der Alp hatte ich meine grosse Krise.  Ich setzte mich hin, mir war übel, schlecht, vielleicht noch bis Wengen, aber keinen Schritt weiter.

Warum habe ich mich bloss nicht für’s Golfen entschieden?

Ich griff zum ersten Mal zu mit Wasser verdünntem Cola.
 
Welch ein Genuss. Einige Minuten später ging es mir besser, aber noch nicht gut. Ich ass noch ein paar Nuss-Stengel und in Wengen leerte ich zwei Becher Cola, ass aber nichts.

Das konnte nicht gutgehen, soviel Kalorien verbrauchen, sowenig einnehmen.

Die Begleitung hatte gutgetan, leider liess sich Christian nicht überreden, noch mit auf den Männlichen zu kommen.

Auf dem Weg dorthin fühlte ich mich gigantisch. Es lief mir sehr gut und ich überholte nur noch.
 
 
 
Auf dem Männlichen hatte ich eine halbe Stunde Reserve auf die Schlusszeit. Sie waren so freundlich mich in das Restaurant zu lassen und mich dort auf die Nacht vorzubereiten. Ich zog eine Jacke an und meine Stirnlampe, die Lupine Neo 2.

Noch immer fühlte ich mich sehr gut, wartete aber auf weitere Läufer, um nicht allein durch die Nacht zu laufen.
 
 
Faye Ng aus Hongkong und ein junger Mann aus Polen kamen mit mir auf‘s Lauberhorn. Die Nacht war magisch, der Mond schien, Restlicht auf dem Eiger, der Schnee glitzerte. Traumhaft.

Ich erzählte beim Hundschopf von der Weltcup-Abfahrt, das Interesse war aber sehr gering.

Unterwegs zur kleinen Scheidegg staunte eine Amerikanerin über mein helles Licht. So hell empfand ich es gar nicht. Erst da dämmerte es mir, ich hatte um 23 Uhr noch immer meine Sonnenbrille auf!!

Oben legte ich mich auf eine Pritsche, wieder war mir übel. Ich bekam Bouillon und als ich sie vom Schlussläufer reden hörte, stand ich auf, leerte einen Becher Cola und machte mich auf nach unten zur Haaregg, bevor es wieder hinaufging zur Station Eigergletscher.

Jetzt bewegten wir uns mit der Fliess-Geschwindigkeit eines Gletschers. Der junge Mann aus Polen sah mitgenommen aus.
 
 
Einige, die ich ab Burglauenen unterwegs traf, finde ich nicht  auf der Rangliste. Auch der junge Mann aus Polen mit der Nummer 567 ist nicht drauf.

Es kam bei mir wieder Leben auf, sobald es auf dem Eigertrail hinunter ging. Zuerst gab es aber noch eine fiese Gegensteigung. Faye im Schlepptau rannte ich den Eigertrail hinunter.
 
 
Jetzt schon packte mich ein Schaudern, der Eiger Ultra Trail war wirklich zu schaffen.

Der Weg zum Marmorbruch war mühsamer als angenommen, es war so wurzelig und es ging immer wieder hinauf. Auf die Pfingstegg hinauf lief ich mit einer Polin, Violetta Domaradzka, die sich immer wieder auf ihre Stöcke kurz abstützen musste
 
 
 
 und einem Inder, Girish Vg, der schon so viel schon gemacht hatte, das ich bei ihm Trailsucht diagnostizierte. Aber darunter „leiden“ wohl die meisten, die sich das antun.



Die Lampe gab ihren Dienst kurz vor der Pfingstegg auf, gut hatte ich die Reservelampe dabei. Irgendwie hatte ich auf der Lupine die falsche Einstellung gewählt und zuviel Licht verpulvert.

Hinunter hielt mich nichts mehr, ich fühlte mich wie berauscht. Nichts tat weg und ich flog den Hügel hinunter, liess den Inder und die Polin hinter mir und überholte nach dem Campingplatz weitere Läufer, ich stürzte mich ins Dorf hinauf, jubelte und kam tatsächlich bis ins Ziel. Wer hätte das gedacht, Golfen kann mir gestohlen bleiben, es ist kaum vorstellbar, dass etwas anderes als ein 24 Stunden Lauf durch eine der schönsten Gegenden der Welt, ähnliche Gefühle auslösen kann.

Im Ziel wartete meine Familie und Bekannte. Wäre ich nicht so erschöpft gewesen, ich hätte geweint vor Glück. Ich liess mir den Eiger Stein umhängen, nahm das T-Shirt und trank im Hotel einen Sponser Recovery Drink (Pina Colada, ein Genuss).
 
 

Kurz vor neun sassen meine Frau und ich bereits im Zug Richtung Interlaken. Hätte ich gewusst, dass alle Kategorien auf’s Treppchen gerufen werden, wäre ich geblieben. War ich auf dem Männlichen noch an neunter Stelle in meiner Kategorie, war ich im Ziel dritter geworden.

 

Was gibt es an dem fast perfekten Lauf zu verbessern?

-          Bouillon anschreiben mit Gemüse und Fleisch-Bouillon

-          Pasta nicht mit Sauce mischen

-          Kartoffeln, mindestens in Burglauenen

-          Situativ kulant sein bei Durchgangszeiten, erst beim 2. Zuspätkommen herausnehmen

-          Eiger Song vor dem Start

-          Mehr Info an allen Bahnstationen und Liftanlagen, dass mit Läufern zu rechnen ist


Das sind alles Nebensächlichkeiten, es bleibt ein Abenteuer, das jeder Trailrunner/in mal gemacht haben muss.

Herzlichen Dank an alle Helfer und Helferinnen. Ohne euch ginge gar nichts.
 
Hier der Link zum Video: